Jerry Oster: Versuchung in Rot.
Rowohlt 2000.
256 S.
Er
hat es also wieder getan - möglicherweise ein letztes Mal
:Das trivialste und alltäglichste zusammen gebracht mit dem
Unwahrscheinlichsten, einen Haufen ganz normaler merkwürdiger Leute in
fabelhafteste Verbindung zueinander gesetzt, nüchternsten Realismus
mit tiefer Sentimentalität gekoppelt: Jerry Oster hat einen weiteren
New York Krimi geschrieben.
Nachdem der letzte Krimi einen neuen, interessanten Held eingeführt hatte,
Tom Gilette, Zeitungsmann und Crossdresser, reitet in "Kiss di Foxx
Goodnight", so der Originaltitel, wieder Joe Cullen, Einzelgänger,
Ex-Alkoholiker, Veteran der Mordkommission zusammen mit Janet Truelove,
Bluessängerin und neuerdings lesbisch: ein aus "xxxxx" bewährtes Gespann.
Diese beiden Melancholiker und AA-Mitglieder treffen auf einen Fall, bei
dem es eigentlich keine Bösen gibt, nur Menschen, die die Balance verlieren,
die ins Rutschen geraten, die plötzlich feststellen, dass alle Ebenen
abschüssig zu sein scheinen.
So schlägt Diane Fox zu Beginn des Romans im Badezimmer
eines Hotels plötzlich lang hin und sich dabei den Schädel auf. Ben
Forbes, ehemaliger Alkoholiker, der sich mit Diane getroffen hat, um sich für
sein früheres Leben zu entschuldigen, gerät in Panik. Er beschliesst
wider alle Vernunft, die Leiche verschwinden zu lassen. Er geht in eine
Bar, der erste Drink lässt nicht lange auf sich warten. Was bis hierher noch
zu reparieren gewesen wäre, bewegt sich unwiederruflich auf ein
Desaster zu, als Ben die rothaarige Nora kennen lernt - natürlich
auf einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Nora, erfolgreiche
Krimiautorin, findet Gefallen an Ben und seiner Geschichte; sie mischt sich
ein - mit fatalen Konsequenzen.
Cullen und Truelove hinken dieser Geschichte immer das entscheidende
Stückchen hinterher, versuchen Ben und Nora vor dem Absturz zu bewahren,
und schaffen es doch kaum, ihr eigenes Leben in Balance zu halten.
So weit wie in diesem Buch hat Jerry Oster sich noch nie von den
Regeln des Krimis entfernt: Weder gibt es eine Tätersuche noch überhaupt
einen Täter: Die Toten werden sozusagen aus Versehen produziert.
Eigentlich handelt es sich hier um eine Studie des Strauchelns, des
Scheiterns. Wer das Gesamtwerk verfolgt hat kann nicht umhin, dieses Buch als
Schwanengesang des Krimiautors Oster zu lesen. Die titelgebende Diane Fox
ist eine Reminiszenz an seine verstorbene Agentin; auch sich selbst hat
Oster in den Text geschmuggelt als erfolglosen und deswegen Taxi fahrenden
Autor.
Der Rowohlt Verlag, der Oster wenigstens die Treue hält, hat sich Mühe
gegeben, diese Melancholie durch einen ganz schlechten, aber reisserischen
Titel und Klappentext zu kaschieren; man hätte lieber etwas mehr Mühe auf
die Übersetzung verwenden sollen. Denn die eigentliche Kunst Osters,
zu zeigen, wie das geht, das menschliche Denken, liegt in den Dialogen. Die
Wiederholungen, die Schleifen, die Assoziationen sind seine Markenzeichen
geworden. Wie man hört will Oster sich wieder Theaterstücken zuwenden:
das wäre ein schwerer Verlust für Krimileser, aber wohl ein Gewinn für
das Theater.